Viele ältere Getreidesorten sind neuen Krankheiten, Beschränkungen in der Produktionstechnik und den sich verändernden Klimabedingungen nicht mehr gewachsen. Längere Trockenperioden im Frühjahr und milde Winter führen zu einem verstärkten Auftreten von Pilz- und Viruserkrankungen. Hier sind neue, angepasste und robuste Sorten gefragt, um gute Erträge auch in der Zukunft zu sichern. Zu den bedeutenden Viruskrankheiten in der Gerste in Deutschland zählen das Gerstengelbverzwergungsvirus (Barley Yellow Dwarf Virus, BYDV) und das Gerstengelbmosaikvirus (Barley Yellow Mosaic Virus, BaYMV). Während BYDV von Blattläusen übertragen wird, handelt es sich bei BaYMV um eine bodenbürtige Viruserkrankung, die in drei Formen unterschieden wird: Typ 1 (BaYMV-1), Typ 2 (BaYMV-2) sowie das milde Virus (BaMMV). Die Schäden können zu Ertragsausfällen führen und im äußersten Fall einen Umbruch der Bestände nötig machen.
Beim BYDV sind als Vektoren, die das Virus übertragen, etwa 25 Blattlausarten bekannt. Die Insekten überdauern besonders bei milden Witterungsverhältnissen im Winter und Frühjahr, sodass die Infektionskette nicht unterbrochen wird. Daher ist eine Erkrankung der Pflanzen sowohl im Herbst als auch im Frühjahr möglich. Allerdings sind Infektionen im späten Frühjahr meist weniger ertragswirksam als Herbstinfektionen. Neben Gerste gehört eine Vielzahl anderer Kulturen zum Wirtskreis des BYDV: Weizen, Hafer, Roggen, Triticale, Mais, Reis, aber auch Kultur- und Wildgräser sowie Grünbracheflächen, Feldraine und angrenzende Rasenflächen.
Zu erkennen ist die Krankheit an gelb verfärbten Blättern und Zwergwuchs. Der Befall tritt meist nesterweise auf, sog. „Elefantenfüße“ werden im Bestand sichtbar. Die Erkrankung kann teilweise zu erheblichen Ertragseinbußen führen. Die Pflanzen weisen meist eine geringere Kornqualität und geringere Kornzahlen pro Ähre, wie auch verminderte Korngrößen auf. Abgesehen von dem potenziell steigendem Zuflug der Insekten infolge des Klimawandels, wächst die Infektionsgefahr ebenfalls durch frühe Saattermine und Ausfallgetreide. Im Herbst befallene Pflanzenbestände sind zudem stark auswinterungsgefährdet.
Das Gerstengelbmosaikvirus Typ 1 (BaYMV-1) wie auch das milde Virus (BaMMV) sind erstmals Ende der 70er Jahre in Deutschland nachgewiesen worden. Dank der Entwicklung resistenter Sorten gegen BaYMV-1 konnten die Wintergerstenerträge auf Befallsflächen stabilisiert und der Gerstenanbau somit attraktiv gehalten werden. Etwa in den Jahren 2007/2008 traten erneut Symptome in den Beständen auf. Die U
rsache dafür lag in einer Abwandlung des Virus, das neu aufgetretene BaYMV Typ 2 (BaYMV-2). Dieser Typ trat insbesondere in den Regionen auf, in denen der Typ 1 bereits vorhanden war. Bei dieser Erkrankung in der Gerste handelt es sich um ein Virus, das durch den weit verbreiteten Bodenpilz Polymyxa graminis übertragen wird. Der Pilz verbreitet sich vor allem bei genügender Bodenfeuchte oder Staunässe im Herbst und Frühjahr. Die Infektion erfolgt durch Beschädigungen der Wurzel durch Wechselfröste oder anderweitige Schädigungen. Die Vermehrung des Virus in der Pflanze geschieht hauptsächlich nach dem Winter. Abgesehen vom Klima stellt auch der Standort bzw. Boden einen wichtigen Einflussfaktor für die Infektion dar: auf ton- und schluffhaltigen Standorten, die über eine hohe Wasserkapazität verfügen, kann der Befall größer sein. Die Pilzsporen haben eine sehr lange Überlebensdauer im Boden; folglich kann es auch nach Jahren, in denen kein Gerstenanbau auf den Feldern betrieben wurde, erneut zu einer Virusinfektion und Schädigung der Pflanzen kommen. Die Ausbreitung erfolgt meist über mehrere Jahre in Bearbeitungsrichtung von einem Bereich ausgehend über die gesamte Fläche. Pilzsporen können auch durch anhaftende Erde an Maschinen und Schuhwerk von einer Fläche zur nächsten verschleppt werden.
Ist der Bestand von der Erkrankung betroffen, sind gelbgrüne, strichelartige Aufhellungen auf den jüngsten Blättern zu beobachten. Mit zunehmendem Wachstum vergrößern sich die Stellen und die Blätter vergilben von der Blattspitze her. Dabei zeigen sich zunächst nesterartige und großflächige Vergilbungen und es folgen Nekrosen, bis hin zum Absterben befallener Blätter und Pflanzen. Herbizidmaßnahmen im Frühjahr in Stressphasen, speziell gegen Gräser, verstärken den Befall. Auch sehr früh gesäte Bestände sind meist stärker befallen, da der potenzielle Infektions- und
Vermehrungszeitraum verlängert wird.
Die Resistenzzüchtung ist die Grundlage zukünftiger Pflanzenschutzstrategien. Schäden durch Viruserkrankungen, wie beispielsweise das BYDV und BaYMV in der Gerste, können damit eingegrenzt bzw. verhindert werden. Die Züchtung einer resistenten Sorte ist ein langwieriger Prozess und beginnt mit der Suche und Evaluierung von Resistenzquellen. So wurden die Resistenzgene gegen BYDV z. B. in Wildgersten aus Äthiopien und in der Wildgersten-Art Hordeum bulbosum entdeckt. Mittels molekularer Marker ist eine effiziente Selektion resistenter Genotypen auch in Jahren ohne Infektionsaufkommen möglich. Diese eindeutig identifizierbaren, kurzen DNA-Abschnitte werden eingesetzt, um Pflanzen mit gewünschten Eigenschaften zu identifizieren und damit den Züchtungsprozess zu beschleunigen. Abschließend durchlaufen die selektierten Kandidaten den Prozess der mehrjährigen offiziellen Prüfungen, bis hin zur Zulassung.
Ein großer Erfolg in der Resistenzzüchtung der Deutschen Saatveredelung AG (DSV) ist die Entwicklung der mehrzeiligen Gerstensorten SENSATION und PARADIES. SENSATION ist als erste und einzige Sorte ihres Segments sowohl gegen das Gerstengelbverzwergungsvirus als auch gegen alle bodenbürtigen Gerstengelbmosaikviren in Deutschland resistent. Sie bietet somit eine hohe Ertragssicherheit und Einsparungspotenzial beim Pflanzenschutz. Diese Beispiele zeigen, welch hohen Stellenwert die Resistenzzüchtung in Zeiten des Klimawandels für einen nachhaltigen, umwelt- und verbraucherfreundlichen Getreideanbau einnimmt.