Das Rittergut Leutewitz im 17. bis 19. Jahrhundert und Biographisches zu den Züchtergenerationen Steiger
Leutewitz
Das Rittergut
In Leutewitz befand sich bis 1945 ein Rittergut. Gurlitt (1923) gab für das Herrenhaus die Bauzeit mit dem Jahr 1623 an. Das Gut war lange im Besitz der Herrschaft von Nitzschwitz, die eine Tafel am Herrenhaus mit der Jahreszahl 1623 hinterließ. Von dem für kurze Zeit nachfolgenden Besitzer, von Warnsdorf, kaufte Johann Gottlieb Steiger das Gut 1764 (Steiger, O. 1898; NN 1913).
Das Rittergut wurde über die Generationen Steiger immer vom Vater auf den Sohn vererbt. Der jeweilige Besitzer war bis zu seinem Tod Eigentümer. Das Gut war ursprünglich nur 85 ha groß. Durch Zukäufe wuchs es auf 255 ha (NN, 1913).
1825 begann Christian Adolf Leberecht Steiger die Runkelrübenzüchtung. Karl Otto Steiger führte 1876 die Züchtung von Gelbhafer und 1880 die von Squareheadweizen ein (Hillmann, 1910; Steiger, H.-U., 2002). Aber berühmt wurde Leutewitz vor allem durch die 1805 von Carl Christian Steiger begonnene Vollblut-Merino-Schafzucht. Sein Sohn Christian Adolf Leberecht Steiger zählte zu den bedeutendsten Schafzüchtern Deutschlands und in dritter Generation führte der Enkel Heinrich Adolph Steiger die Leutewitzer Schafzucht zu internationaler Bedeutung (Steiger, O., 1887, 1898; Steiger, H.-U., 2002).
Runkelrübenzucht wurde ab 1825 in Leutewitz durchgeführt.
Das Rittergut Leutewitz
Zuchtgarten in Leutewitz mit Isolierhäusern für Runkelrüben
Aus: Hillmann, 1910
Aus: Hillmann, 1910
Original Leutewitzer Runkelrüben-Samenzucht-Plantage
Aus: Steiger, O.,o.J. (um 1905)
Aus: Steiger, O.,o.J. (um 1905)
Die Züchterfamilie Steiger
seit 1744
Carl Christian Steiger
(1744 - 1819)
(1744 - 1819)
Gründet 1805 die Leutewitzer Vollblut-Merino-Schafzucht.
Christian Adolf Leberecht Steiger
(1790 - 1874)
(1790 - 1874)
Zählte zu den bedeutendsten Schafzüchtern Deutschlands, begann 1825 die Runkelrübenzüchtung.
Heinrich Adolph Steiger
Geh. Oek. Rat (1817 - 1897)
Geh. Oek. Rat (1817 - 1897)
Setzte die Runkelrübenzucht fort.
Führte die Leutewitzer Vollblut-Merino-Schafzucht zu internationaler Bedeutung.
Führte die Leutewitzer Vollblut-Merino-Schafzucht zu internationaler Bedeutung.
Karl Otto Steiger
Geh. Oek. Rat, Dr. h. c. (1851 - 1935)
Geh. Oek. Rat, Dr. h. c. (1851 - 1935)
Führte die Schafzucht fort.
Begann die Züchtung des Gelbhafers (1876) und des Squareheadweizens (1880).
Führte die Stammbaumzucht in der Pflanzenzüchtung ein (1897).
Begann Qualitätsuntersuchungen für die Pflanzenzüchtung im eigenen chemischen Labor.
Begann die Züchtung des Gelbhafers (1876) und des Squareheadweizens (1880).
Führte die Stammbaumzucht in der Pflanzenzüchtung ein (1897).
Begann Qualitätsuntersuchungen für die Pflanzenzüchtung im eigenen chemischen Labor.
Karl Otto Steiger, ein Pionier der Züchtung
Start der Getreidezüchtung in Leutewitz
Der "Leutewitzer Gelbhafer"
Als Otto Steiger 1867 mit der Haferzüchtung begann, wählte er den sächsischen gelben Gebirgshafer als Ausgangsmaterial, da dieser Hafer sich beim Anbau in Leutewitz durch hohen Ertrag und gute weitere Eigenschaften ausgezeichnet hatte. Es war dies eine im Erzgebirge aus dem gewöhnlichen sächsischen Gelbhafer durch natürliche Auslese entstandene Form (Hillmann, 1910). Wesentliches Zuchtziel war neben Ertrag und Frühreife die Dünnspelzigkeit (Steiger, O., 1898).
Wie aus den Beschreibungen der Züchterhäuser in der Schrift des BDP "Landwirtschaftliche Pflanzenzüchtung in Deutschland“ (1987) hervorgeht, setzte die Haferzüchtung in Deutschland später als bei Roggen und Weizen ein, in der Regel um 1900, und sie bevorzugte den späten Weißhafer mit festem Halm, dessen Futterwert nachträglich allgemein als geringer im Vergleich zum Gelbhafer beurteilt wurde, vorrangig wegen des höheren Spelzenanteils des Weißhafers (Scheibe, 1953). Otto Steiger war also mit dem Beginn der Haferzüchtung 1867 und der Wahl des Zuchtziels Dünnspelzigkeit, einem wichtigen Merkmal für den Futterwert, beim Gelbhafer seiner Zeit voraus. Im zweiten Viertel des 20. Jahrhunderts relativierte sich allerdings die unterschiedliche Bewertung von Gelb- und Weißhafer, und zwar durch den Erfolg der Kreuzungszüchtung und den Zugriff auf Ausgangsmaterial eines breiteren geographischen Raums (Nicolaisen, 1950; Mac Key, 1959).
In den Anbauversuchen der DLG hat der ‘Leutewitzer Gelbhafer’ viermal während fünf Jahren 1889 bis 1893 die höchsten Erträge gebracht (Steiger, O., 1898). Das Stroh der Sorte wurde als feinfaserig und damit wertvoll als Futterstroh beschrieben. Zugleich war die Sorte standfest und zudem wenig empfindlich gegen Klimaeinfluss (Hillmann, 1910). Als Beispiel dazu kann ein Versuch mit internationalem Sortiment 1909 in Russland dienen. Auch dort stand der ‘Leutewitzer Gelbhafer’ zusammen mit ‘Beseler III’ an erster Stelle im Ertrag.
Der "Leutewitzer Squareheadweizen"
Aus der von dem Farmer Taylor in einem Bestand des Victoriaweizens gefundenen Pflanze mit vierkantiger Ähre entstand in England durch Selektion eine hochleistungsfähige Squarehead-Form. Schon 1871 übertraf diese alle übrigen Sorten. 1874 gelangte der Squareheadweizen durch ein Kopenhagener Samenhaus nach Dänemark und von dort 1876 nach Deutschland (Scheibe, 1951). 1880 begann O. Steiger seine Züchtung von Squareheadweizen (Hillmann, 1910) als einer der ersten in Deutschland.
Zuchtziele waren, die Frostresistenz, die Standfestigkeit und die Rostresistenz zu verbessern und die Ertragsfähigkeit des Squarehead zu erhalten und möglichst zu steigern (Steiger, O., um 1905). Hillmann (1910) rechnete den ‘Leutewitzer Squareheadweizen’ in der Winterhärte zu den widerstandsfähigsten Squareheads, von dem in dem harten Winter 1900/01 etwa 40 % überwinterten, während andere Züchtungen stellenweise gänzlich ausfielen. Zum Ertrag schrieb O. Steiger (um 1905): "In der Versuchsperiode 1890 - 1892, welche sich durch besonders harte Winter auszeichnete, behauptete er unter den acht Squareheadweizen die zweite Stelle (Jahrb. DLG 1893). In der letzten Squarehead-Concurrenz der DLG in den Jahren 1892 - 1899 befand sich der Leutewitzer Squarehead unter den elf geprüften Sorten in der Gruppe der drei besten Sorten." Hillmann (1910) beschreibt die Ähre des Leutewitzer Squareheadweizen-Typus als am Scheitel besonders breit, dicht besetzt, nach abwärts etwas verjüngt, grannenlos, mit rötlich-gelbem Korn.
Der ‘Leutewitzer Squarehead’ wurde in Svalöf von Nilsson-Ehle Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem Squarehead-Pool für Kreuzungen ausgewählt. Nilsson-Ehle erhielt durch Auslese aus dem ‘Leutewitzer Squarehead’ den ‘Extra-Squarehead’ und durch Auslese aus dem ‘Engelsk Squarehead’ den ‘Extra-Squarehead I’ mit Sortennamen ‘Grenadier’. Indem er ‘Extra-Squarehead’ x ‘Extra-Squarehead I’ (‘Grenadier’) kreuzte, schuf er die Sorte ‘Extra-Squarehead II’. Aus der Kreuzung der schwedischen Landsorte ‘Tystofte Smaahvede’ x ‘Extra-Squarehead II’ ging die Sorte ‘Fylgiavete’ hervor, die 1913 erstmals in die schwedischen Sortenversuche gelangte (Nilsson-Ehle, 1911, zit. b. Meinel).
(Quelle: Pflanzenzüchtung in Leutewitz Vorträge der AG (9) Geschichte der Pflanzenzüchtung, 13. Arbeitstagung 22./23. Juni 2006 in Leutewitz bei Meissen, Dr. Gisbert Kley)